Was das Gesetz dazu sagt*
Die wichtigsten Fragen und Antworten zur Haftung und Entschädigung bei Hochwasser
Angesicht leerer Kassen wundert nicht, dass sich Land, Städte und Gemeinden auf den Standpunkt stellen, auch mit der Errichtung von Deichen und Hochwasser - Schutzanlagen übernehme das Land und die Kommunen nicht automatisch die Haftung für dennoch eintretende Hochwasser-Schäden.
Was sagt das Gesetz dazu?
Das Wasserhaushaltsgesetz verpflichtet die Gemeinden die erforderlichen Maßnahmen zum Schutze der vom Hochwasser bedrohten Ufer und Deiche zu ergreifen. Die Erfüllung dieser Verpflichtung ist von den zuständigen Wasser-(aufsichts-) behörden, in erster Linie also von den Regierungspräsidien (Sachsen) und dem Landesbetrieb für Hochwasserschutz (Sachsen-Anhalt) zu überwachen und erforderlichenfalls zwangsweise durchzusetzen. Hierzu haben die Wasserbehörden die notwendigen Anordnungen zu treffen. Die Anforderungen an einen wirksamen Hochwasser - Schutz umfassen im Bereich der Baurechts auch den gesetzlichen Auftrag an die Gemeinden, im Rahmen der Aufstellung von Bebauungsplänen, also der Ausweisung (neuer) Baugebiete die Sicherheit der wohnenden und arbeitenden Bevölkerung im Auge zu behalten.
Anspruch des einzelnen?
Die Gemeinden rechtfertigen ihre Auffassung, sie könnten grundsätzlich nicht für den ordnungsgemäßen Zustand von Deichen und Hochwasser - Schutzanlagen in Haftung genommen werden mit dem Hinweis, die ihnen in dieser Hinsicht übertragenen Aufgaben seien nur gegenüber der Allgemeinheit, nicht aber gegenüber dem Bürger zu erfüllen. Das Wohl des Einzelnen stehe hinter dem Wohl der Allgemeinheit zurück. Klagbare Schadensersatz - oder Entschädigungsansprüche der betroffenen Flutopfer bestünden daher selbst dann nicht, sollten die Gemeinden ihren Verpflichtungen zuwider gehandelt haben. Entsprechendes gelte grundsätzlich auch bei der Aufstellung von Bebauungsplänen. Ebensowenig erwüchsen dem Flutopfer Rechtsansprüche gegenüber den Aufsichtsbehörden.
Also keine Haftung?
Die Rechtsprechung ist eindeutig: Sowohl das Bundesverwaltungsgericht als auch der Bundesgerichtshof stellen darauf ab, dass es nicht auf die Erfüllung der den Gemeinden übertragenen Pflichten als solche ankommt, sondern es um einen Eingriff in das durch das Grundgesetz geschützte Eigentum des Einzelnen geht. Die Verletzung der Pflicht, die erforderlichen Schutzvorkehrungen zur Vermeidung von Hochwasser - Gefahren zu ergreifen, führt zu der einklagbaren Verpflichtung, die Folgen etwaiger Eingriffe in Eigentumstrechte Betroffener im Wege der (Wieder-) Herstellung eines den ursprünglichen Verhältnissen gleichwertigen Zustandes rückgängig zu machen und dem einzelnen Flutopfer gegenüber ggf. Schadensersatz zu leisten.
Nicht anders sind die Überwachungspflichten der Wasserbehörden zu beurteilen. Die Gewässeraufsicht -hier in der besonderen Form schadlosen Hochwasser - Abflusses- dient auch den Belangen der von einem Hochwasser bedrohten Anliegern des Gewässers. Eine Verpflichtung zu Schadensersatz der Aufsichtsbehörden ist daher gegeben, wenn der Zustand des Gewässers ein Einschreiten der Behörde erfordert und diese den gefahrdrohenden Zustand des Gewässers kennt oder von ihm bei ordnungsgemäßer Ausübung der Aufsichtspflicht rechtzeitig Kenntnis erlangt hätte.
In die gleiche Richtung weist auch die neuere Rechtsprechung zur Bauleitplanung. Wie der Bundesgerichtshof in den „Altlastenfällen" entschieden hat, bezwecken die bei der Aufstellung von Bebauungsplänen zu beachtenden Pflichten auch den Schutz gerade der Personen, die im konkreten von dem jeweiligen Bebauungsplan betroffenen Gebiet wohnen und arbeiten werden. In konsequenter Fortführung dieser Rechtsprechung wird daher eine Amtspflicht der Gemeinden -auch gegenüber den betroffenen Grundstückseigentümern-, die Grundstücke eines hochwassergefährdeten Gebiets bereits im Rahmen der Aufstellung von Bebauungsplänen und nicht erst im Baugenehmigungsverfahren vor unverhersehbaren und unbeherschbaren Gesundheits- und Lebensgefahren zu schützen, die durch Überschwemmungen und Hochwasser - Ereignisse auftreten können in besonderen und außergewöhlichen Einzelfällen begründbar sein. Die Ausweisung solcher Gebiete als Baugelände kann daher m.E. bei "groben Mißgriffen" der Gemeinde für einen "kleinen übersehbaren Kreis der Flutopfer" im Ausgangspunkt zu Schadensersatz verpflichten.
Entschädigung ja, aber in welchen Fällen?
Schadensersatz hat die Rechtsprechung betroffenen Flutopfern zugebilligt, die auf einem im Verbandsgebiet der Gemeinde gelegenen, gemieteten Grundstück ein Möbel- und Einrichtungshaus unterhielten und dadurch einen Schaden erlitten, dass die Gemeinde ihrer Verpflichtung, für einen ordnungsgemäßen Zustand des Flußlaufs zu sorgen nicht erfüllte und der Wasserlauf zu erwartendes Hochwasser daher nicht schadlos ableiten konnte. Die Beweislast, dass sich die Überschwemmung auch bei ordnungsgemäßem Zustand der Hochwasser - Schutzanlagen ereignet hätten, trägt in diesem Fall nicht das Flutopfer sondern die Gemeinde.
Der Bundesgerichtshof ist darüber hinaus der Auffassung, die Pflicht zur Unterhaltung der Ufer und Befestigungsanlagen umfasse auch die Verhinderung schädlicher Auswirkungen des Wasserabflusses, wie sie etwa durch Vernässungen und Überflutungen von Acherflächen im Einflußgebiet von Gewässern eintreten können. Betroffene Flutopfer könnten daher Schadenersatz für Ernteausfallschäden geltend machen, soweit ihnen eine Bewirtschaftung der betreffenden Flächen nicht möglich gewesen ist.
Entschädigungsansprüche können nach der Rechtsprechung auch durch die Vornahme fehlerhafter Maßnahmen an Gewässern ausgelöst werden. Der Bundesgerichtshof hat daher Schadenersatz in Fällen zugesprochen, in denen die öffentliche Hand durch die Veränderung des Wasserlaufs oder die unsachgemäße Verlegung oder Umgestaltung eines Gewässerbetts Überschwemmungsgefahren verstärkt hat.
Des weiteren sieht der Bundsgerichtshof eine Pflicht zur Entschädigung, wenn etwa ein landwirtschaftlich genutztes Grundstück zum Schutz der Allgemeinheit vor Hochwasser nicht nur ganz vorübergehend überschwemmt wird.
Daneben kann die Gemeinde für Überschwemmungsschäden in Haftung genommen werden, die dadurch entstanden sind, dass der Abfluß von Oberflächenwasser, wie es bei übermäßigen Niederschlägen entsteht, durch die Ausweisung umfangreicher Baugebiete (Baulanderschließung) und die dadurch bewirkte Bodenversiegelung verändert worden ist.
Im Bereich der Gewässeraufsicht könne nach Ansicht des Bayerischen Obersten Landesgerichts die zuständige Wasser-(aufsichts-)behörde im Einzelfall selbst für sogenannte hundertjährige Hochwasser auf Schadensersatz in Haftung genommen werden. Außergewöhnlich schadensträchtige Hochwasser würden rein zeitlich gesehen verhältnismäßig häufig auftreten, bei lokal begrenzten Ereignissen dieser Art seien aber lediglich immer wieder verschiedene Orte betroffen. Die zur Aufsicht berufene Behörde hafte daher auf Schadenersatz, dass ein Hochwasser den Flußlauf überschwemmte und dabei Schäden an Haus und Grund verursachte.
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© 2002 Andreas Jakubietz, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht, Berlin