Sächsische Zeitung
Donnerstag, 21. November 2002,
„Ob wir noch einmal die Kraft haben?“
Bürger von Röderau-Süd vor dem Neuanfang
Von Reiner Hanke
Ein großzügiges Angebot des Freistaates und reichlich Stoff zum Nachdenken lieferte Sachsens Justizminister Thomas de Maizière am Dienstagabend den Bewohnern von Röderau-Süd. Die SZ hörte sich bei ihnen um.
Mal klatschte die eine Hälfte der Bewohner von Röderau-Süd, mal die andere. Zumindest am Beginn der Veranstaltung war der Ortsteil noch völlig zerrissen. Während draußen noch die Trockengeräte rumorten, unterbreitete Minister de Maizière den Bürgern die Vorschläge der Landesregierung für die Zukunft des Zeithainer Ortsteiles. Und selbst große Skeptiker räumten ein, dass der Freistaat großzügig auf die Bürger zugehe.
Nicht ohne Grund. Auch an diesem Abend blieben Fragen zum Genehmigungsverfahren vor zehn Jahren nicht aus. Wie konnte das Regierungspräsidium damals dem Bau zustimmen? Der Minister gestand Fehler ein, will die Verantwortung „nicht in Abrede stellen“, formulierte er vorsichtig: „Weil das 1992 so gelaufen ist, gibt es jetzt einen Ausgleich für den Neubeginn.“ Umzug und Neubau auf Kosten des Freistaates. Das gilt auch für die Gewerbetreibenden. Wer im Hochwassergebiet bleibt, bleibt auf eigene Gefahr.
Schön, wenn alles so glatt wie versprochen liefe
„Ich bin nicht unzufrieden mit dem Angebot“, sagt Reihenhausbesitzer Veit Kunath. Freilich müsse er eine sinnvolle Alternative finden, wenn er den Standort aufgebe. Außerdem habe er bereits wieder investiert und will nicht auf den Kosten sitzenbleiben. „Wenn ich das Geld zusätzlich mit angerechnet bekomme, dann ist es eine faire Sache, auf die ich eingehe.“ Es sind viele Röderauer, die sich gerade um diesen Punkt sorgen. Selbst wenn auch davon 80 Prozent erstattet werden, gibt es Dinge, die unwiederbringlich verloren sind: Jahre, in denen viel Schweiß ins Heim gesteckt wurde. Zu den Besitzern eines Häuschens gehört zum Beispiel Helga Nagel, sie sagt: Es wäre ja schön, wenn alles so glatt wie versprochen liefe. Doch sie sei skeptisch. Die Modalitäten müssten erst genau geprüft werden. Versprochen werde viel. Im Grunde habe sie mit ihrem Mann, der schon auf die 70 zu geht, das Haus nun schon zum zweiten Mal gebaut: „Ich weiß einfach nicht, ob wir noch einmal die Kraft haben, von vorn zu beginnen.“
Und dann sind da auch noch die Mieter von Häusern in „Süd“, so wie Oliver Lange. Die Offerte aus Dresden kann noch so toll sein, ihm nützt sie wenig: „Es gibt hier in der Region einfach keine Alternativen.“ Mietangebote für Einfamilien- oder Reihenhäuser sind knapp. Zurück in eine normale Wohnung möchte er nicht und würde am liebsten mit seinem Vermieter mitziehen.
Vize-Bürgermeister Horst Kühne empfiehlt den Bürgern, die Sache erst einmal setzen zu lassen. Zwei Verhandlungsführer, einer von den Bürgern, einer vom Freistaat, sollen sich dann der vielen offenen Einzelfragen annehmen. Eine berührt die Gemeinde Zeithain insgesamt. Bei ihr sollen die Abrisskosten hängen bleiben, schließlich habe die Gemeinde das Baugebiet gewollt und initiiert, so de Maizière. Horst Kühne: „Darüber kann ich nur lächeln. So einfach kann es sich der Freistaat nicht machen, notfalls werden wir uns streiten müssen. Es geht doch darum, wer am Ende O. k. gesagt hat.“
Viele Röderauer bestürmten den Minister und seine Expertenrunde von Umweltfachamt bis Aufbaubank gleich im Anschluss an das Forum mit tausend Fragen. Werden auch sie am Ende O. k. sagen?